|
Kain Essener: Espresso, Tiramisu und Torroncino
Als er zur Eisvitrine hintrat, l�ste sie sich aus den Schatten unter
den Arkaden. Schwarz-wei� gekleidet in Rock, Bluse und Sch�rze, fragte sie ihn
in ihrer jugendlichen Sch�nheit nach seinen W�nschen. "Espresso, Tiramisu e
Torroncino, prego:" Er nannte ihr seine Wahl und sie gab ihm mit ihrer Anmut.
"Grazie !" Er dankte ihr. Es war Sommer in Italien, schwere W�rme, Kain
Essener war in Vicenza. Er hatte das Theatro Olimpico besucht. Wer vom Platz
her durch den Torbogen schritt, hindurch unter diesen goldenen Lettern, der fand
sich in einer anderen Welt wieder. Ein Skulpturengarten, Rosenrabatten entlang
kiesgestreuter Wege, weinberankte W�nde. Darinnen, nicht auf Anhieb zu erkennen,
wie eine stattlich gebaute Scheuer, Europas und der Welt erstes geschlossenes
Theatergeb�ude. Was sich von au�en romantisch und ein wenig auch rustikal
darstellte, zeigte sich im Inneren, im Foyer, in der klaren Sch�nheit der
Renaissance. In diesem holzget�felten Raum, auf dem Schachbrett des
Steinparketts, war das Rauschen und Gleiten venezianischer Gew�nder zu
ahnen. Durch einen engen Durchgang gelangte er in den Zuschauerraum. Die
Pracht der perspektivisch angelegten, feststehenden Kulissenbauten und des
skulpturengeschm�ckten oberen Umganges standen im Kontrast zur Schlichtheit der
halbkreisf�rmig angelegten, aufsteigenden h�lzernen Sitzreihen. Seine innere
Frage, ob dieses krude wirkende Amphitheater nur Schutzbau war f�r weitaus
edlere Ausstattung, blieb unbeantwortet. Er stieg den Mittelgang hinauf und
nahm Platz. Sein Augenmerk galt dem Portalbau des Proszeniums, Arkaden, in denen
zwei Stra�en m�ndeten. Stadt als B�hne st�dtischen Lebens. Es viel ihm
schwer, sich hier zu konzentrieren. Dauerndes Kommen und Gehen anderer Touristen
st�rte ihn, und nach kurzer Zeit verlie� auch er wieder das Theaterrund. Sein
Weg hinaus und zur�ck, die sommerliche W�rme und ein suchender Blick f�hrten ihn
zu jenem Eisverkauf im Schatten von Arkaden, zu einem Palazzo, rechts vom
Eingang, trat man wieder auf den Platz hinaus. War wichtig, dass beide Bauten
von Andrea Palladio stammten, eine Sch�pfung jenes ber�hmten Baumeisters der
Renaissance waren? Ihm war es wichtig, und doch war ihm im Moment wichtiger die
K�stlichkeit des Eises in seiner Hand. Er fand Ruhe auf einer Bank gegenüber des
Torbogens zum Theatro.
Sein Eis genie�end, den k�hlen Schmelz auf der Zunge, nahm Kain auch die
Geschehnisse um sich herum wahr. Entlang der Stra�e, die den Platz an einer
L�ngsseite durchlief, war es lebendig geworden. M�nner in trachten-�hnlichen
Uniformen agierten und berieten sich mit Carabinieri. Anweisungen wurden
gerufen. Der Papst sollte die Stadt besuchen, sein Weg w�rde ihn auch auf diesen
Platz f�hren. Die Einwohner trafen Vorbereitungen, ihren hohen Gast zu
empfangen. "Sir!" - Ein Mann in der sportlichen Kleidung eines Radfahrers war
vor Kain Essener hingetreten. Massig, bullig zu nennen war der, der ihn so
ansprach, Stiernacken und kurzer Haarschnitt, wei�es Trikot und schwarze
Radlerhose. Kain vermutete: Ein amerikanischer Offizier, sicher ein h�herer
Rang, wahrscheinlich mit seiner Familie auf Radtour durch Italien. Dieser fragte
ihn nach dem Theater und nach den Geschehnissen auf dem Platz. Kain gab seine
Ausk�nfte nach bestem Wissen, auf Englisch und zur Zufriedenheit seines
Gegenübers. Ihm wurde gedankt. Wieder konnte er sich seinem Eis zuwenden und
seiner Betrachtung der Vorg�nge um sich herum. Er überlegte. Er musste den
Papst heute nicht sehen, jenen Mann, den die Italiener liebevoll "Il Papa"
nannten, jenen, der dies f�r sie auch war. Kain ahnte, was ihn erwartete, w�rde
er bleiben. Er selbst war zum Papst gekommen, als dieser München besucht hatte.
Viele Menschen w�rden zusammenkommen, es w�re schwierig f�r ihn, seinen Weg
zur�ck zu finden, durch überfällte, wom�glich gesperrte Stra�en. Vielleicht
wollte er den Italienern auch einfach lassen, was ihm wie ein Familienfest
erschien. Er stand auf und ging zu seinem Fahrrad, welches zusammen mit
vielen anderen vor der Gartenmauer des Theatro stand. Bald war er auf dem Weg
stadtausw�rts, zu seinem Zelt auf dem Campingplatz.
Klaus Gölker ©2000 | Home |
|
|