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Kain Essener in Wien
Wien, das begann f�r Kain
Essener in den Praxisr�umen von Sigmund Freud. Es f�hrte ihn weiter über die
U-Bahn-Stationen Otto Wagners in das Geb�ude der Sezession, über den
Naschmarkt zum Stefansdom und ins Haashaus, die Ringstrasse entlang, zum
Utopia. Bis nach Sch�nbrunn f�hrte es ihn, wo er eine Ausstellung der
phantastischen Kleider Roberto Capuccis fand.
Immer wieder suchte Kain die Werke
von Friedensreich Hundertwasser. Drau�en an der von diesem gestalteten
M�llverbrennungsanlage fragte ihn eine Gruppe asiatischer Touristen, was f�r
ein Museum das sei.
Kain besuchte auch die H�user in der
Innenstadt, die der K�nstler und Architekt entworfen hatte, das "Hundertwasserhaus"
genannte Wohnhaus und das "Kunsthaus Wien", nicht weit davon.
Dort angekommen, war f�r ihn erst einmal ein Kaffee f�llig, im
Caf� im Gartenhof des Kunsthauses. Er besah sich die R�ckfront des ehemaligen
Manufakturgeb�udes, war es nicht fr�her eine Weberei? Jetzt die Farben,
unterschiedliche Fenster- lebendiger Ausbruch aus dem fr�heren Gleichma�.
Drinnen die st�ndige Ausstellung über das Lebenswerk Friedensreich
Hundertwassers, eine Ausstellung der hyperrealistischen Plastiken von John de
Andrea, ein Kassenh�uschen mit einer freundlichen jungen Wienerin. Kain kaufte
bei ihr eine Karte f�r beide Ausstellungen, wenn er schon einmal da war.
Auf dem kunstvoll schief verlegten
Fu�boden aus handgeschlagenen Fliesen tastete sich Kain vorsichtig voran durch
das Leben eines Aussteigers, der zur�ckgekehrt war. Kain kannte und mochte die
farbig-goldenen, pr�chtigen Spiralen und Motive auf schwarzem Grund, die
Hundertwasser ber�hmt gemacht hatten. Hier fand er mehr über diesen
Wei�bebarteten, der in sein Paradies auf einem Schiff in Neuseeland entflohen
war, der zur�ckkehrte, um mit seiner Kunst f�r ein wirkliches Leben auch in
unseren Breiten einzutreten.
John de Andrea war anders. Amerikaner,
Kalifornier. Ein akribischer Bildhauer und Maler, besessen von Genauigkeit.
Er fertigte detaillierteste Abg�sse seiner Modelle, arbeitete sie in einem
Kunstharz, Kunststoff als Plastik aus. Das war der erste Schritt. Es folgte die
Bemalung: Mehrere Lagen, lasierend, Adern unter der Oberhaut. Die Haare
echtes Haar, nach der Natur eingesetzt.
Kain durchwanderte die Ausstellung:
Nackte Modelle, im Moment eingefroren f�r die Ewigkeit. Unter ihnen der
K�nstler selbst in angeschmutzter Arbeitskleidung, ratlos, leer blickend neben
einem seiner Modelle. Bilder aus einer Anatomie. Bekleidete Menschen und
abges�gte B�sten, verfremdete, kalkig wei�e Tableaus aus posierenden Figuren.
Manches war sch�n - die Haltung, stille Insichkehrung einer jungen, nackten
Frau. Anderes war �de, leer, tot. Die Perfektion forderte ihren Preis, Leben.
Kain Essener wollte mehr über diesen
Menschen erfahren, vielleicht, was diesen trieb. Neben der h�lzernen Treppe,
die auf die Galerie des Raumes f�hrte, war ein Winkel, eine Nische, genau
gegenüber der zwei plakatgroßen Tafeln, auf denen der Lebensweg des K�nstlers
gelistet war. Kain postierte sich dort, ging in eine Ruhehaltung, aufrecht
stehend, das Kinn in die rechte Hand gest�tzt, den linken Arm abgewinkelt vor
dem Bauch, die Linke hielt den rechten Ellbogen. Er begann zu lesen und versank
in eine stille Starre. Menschen gingen an ihm vorbei, sahen ihn an, gingen
weiter. Eine Gruppe, zwei M�nner, eine Frau traf sich am Fu� der Treppen neben
ihm. Er las weiter. Einige Minuten verstrichen. Die anderen unterhielten sich.
Als Kain ausgelesen hatte, l�ste er seine Haltung und ging einfach auf den
Ausgang zu. Aus der Dreiergruppe ertönte ein erschreckter, erstaunter Ausruf:
"Hoppala, der is ja echt!"
Klaus Gölker ©2000 | Home |
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