Die Freiheit des Hörers �

ein Essay zur Situation derer, die Musik frei und einfach Hören wollen



In meiner Jugend war eines der wichtigsten Geräte, zu deren Anschaffung es mich sehr dr�ngte und das ich , als es in meinem Besitz war, intensiv nutzte, ein Tonbandger�t. Ich zahlte Gema-Geb�hren, ohne es zunächst zu wissen, mit den Tonb�ndern, mit den Cassetten, die ich mir kaufte. Aber � und darauf kam es mir an � ich konnte Musik mitschneiden, mir �meine Musik� aufnehmen, zusammenstellen. Das war, zum privaten Gebrauch, legal. Es war frei, freiz�gig.
Und es war gute Musik. Der Drive des Rock und Pop und die Tiefe klassischer Musik.
Musik vom Radio zum privaten �Gebrauch� mitzuschneiden ist heute � zumindest meinem Wissen nach � noch immer legal. Aber es ist sehr viel schwerer geworden, da kein Moderator noch R�cksicht darauf nimmt, dass jemand vielleicht das St�ck aufnehmen m�chte. Gute St�cke werden sowieso immer seltener. Vor allem durch die kommerziellen Sender wird über den Hörenden ein Leichentuch aus einem ineinander verwobenen Klangteppich von Musik, Infotainment und Werbung gezogen. Keine Chance, ein begehrtes Musikst�ck unverst�mmelt mitzuschneiden. Zumal mir scheint, dass die Qualit�t der U-Musik stark nachgelassen hat, viel mehr Belanglosigkeit, Egalit�t im negativen Sinn und musikalische Eintagsfliegen sind es, die uns in den Ohren summen bzw. uns um die Ohren geschlagen werden.
Daf�r wurde die Qualit�t der Tonträger wesentlich besser � die CD, heute auch die DVD ersetzte die LP und die Musik-Kassette. zunächst waren diese eine Zeit lang kopierbar, es lie�en sich Kopien ganzer Alben herstellen. Diese durften in geringer St�ckzahl sogar verschenkt werden, im privaten Bereich. Manchmal noch wichtiger, es lie�en sich einzelne Musikst�cke auskopieren und zu eigenen Kompilationen zusammenstellen. Auch konnten diese Musikst�cke aus dem Internet herunterladen werden, waren tauschbar mit anderen.
All dies hat nun ein Ende: Technisch wurde all das durch den eingebauten Kopiersschutz der Musik-CDs unterbunden, wichtiger noch ist: Es wurde rechtlich unterbunden. Wer den Kopierschutz einer CD umgeht, um sich eine (private) Kopie zu schaffen, begeht eine Straftat. Wer urheberrechtlich gesch�tzte Musik aus dem Internet l�dt oder hinaufl�dt, ist strafrechtlich verfolgbar und regresspflichtig, nicht in erster Linie gegenüber dem K�nstler, sondern gegenüber dem Musikverlag, der die Musik produziert hat. Dabei schaffen diese mit einem St�ckpreis von 20 Euro und mehr pro CD auch einen nicht geringen wirtschaftlichen Anreiz, Musik zu kopieren oder aus dem Netz zu laden.
Prinzipiell m�chte ich den Musikverlagen hier zunächst einmal �Verpackungsschwindel� vorwerfen. Denn viele CDs sind auch vom Inhalt her nicht das Geld wert, dass daf�r verlangt wird. Bei anderen G�tern kann ich mich der G�te des Inhalts vorher vergewissern � zumindest sollte das m�glich sein. Soweit überhaupt, kann ich mich bei den meisten Alben heutzutage nur eingeschr�nkt durch Rundfunk oder H�rproben minderer Qualit�t im Internet legal über die G�te der Musikst�cke informieren, zudem nur an Hand einzelner h�ufiger gespielter St�cke bzw. der ausgew�hlten Highlights.
Mein Verst�ndnis f�r das Handeln der Industrie in der gegenw�rtigen Situation ist gering.
Die M�glichkeiten, ein �hnliches Managment wie mit der GEMA-Geb�hr auf Tonband-Cassetten einzuf�hren, wurde aufgegeben, zum großen Teil aus Widerst�nden der Industrie heraus, aber auch durch das Handeln der Verbraucher, denen nicht abzuverlangen war, spezielle Audio-CDs mit GEMA-Geb�hr zu kaufen, wenn mit einer normalen Daten-CD Musik genau so gut aufzunehmen war.
Auch die bisherige Handhabung des Internet als Vertriebsplattform l�sst sehr viel zu w�nschen �brig. M�glich w�re doch ein Download-Pool bei jedem Verlag, oder vielleicht auch zentral, wo sich Musik, ganze Alben zu einem vern�nftigen Preis, ggf. auch mit Kopierschutz herunterladen l�sst. Der Kunde spart dem Verlag doch Herstellungskosten, Transport und Vertrieb des Tonträgers.
Dies sind einige Gedanken eines Hörers, der es liebte, Musik einfach nach Gutd�nken zur Verf�gung zu haben. Das dabei manchmal die berechtigten Interessen der K�nstler, die diese Musik schufen, auf der Strecke blieben, ist mir klar. Soviel zur Situation, wie sie sich bot und wie sie sich entwickelt hat.

Ich m�chte noch einen weiteren Aspekt beleuchten, der mich interessiert. Den Aspekt des Zusammenhangs von Musik Schaffendem und Musik Hörendem � und den eigenen Aspekt am Musik Hören.

Ich mag Musik. Ich liebe Musik. Musik erweckt in mir Gef�hle, transportiert Empfindungen, kann mein augenblickliches Lebensgef�hl, Befinden wiedergeben oder sogar beeinflussen, pr�gen. Selbst bin ich nur der Hörende. Jemand anderes komponierte, schuf diese Musik. Doch ich erlebe diese Musik, und mich in ihr selbst. Musik Hören ist f�r mich Selbst erleben, oft so sehr eigenes Selbst im Zwiegespr�ch mit der Musik, dass die Tatsache, das jemand anderes der Autor dieses Geh�rten ist, in den Hintergrund tritt.
So wie ich mit anderem, verdient dieser K�nstler sein Brot damit, Musik zu schaffen und sie anderen vorzuf�hren, f�r andere bereit zu stellen. Im Sinne der Musik fasse ich deren Sch�pfer jedoch besser als einen gleich und Gleiches empfindenden, denkenden Menschen auf.
Doch unter dem Aspekt, dass diese Musik eigentlich jemand anderem geh�rt, ich sie sozusagen nur leihweise, geborgt Hören kann, verliert sie an Kraft - und �Nutzen� f�r mich. Die M�glichkeit, mit der Musik eins zu werden und sie zu erleben, leidet darunter. Dies sind subjektive W�nsche. Aber Musik ist subjektiv � das ist ihr Wesen und ihre wichtigste Eigenschaft. Musik ist Ausdruck und Empfinden eines Subjektes. Je mehr sie �objektiviert� wird, je mehr sie zum Waren-Gut (nicht so sehr Kulturgut) wird, umso st�rker verliert sie an Reiz und Wirkung.

Von Gedanken hei�t es, dass sie frei seien. Mir ist bewusst, dass auch Gedanken objektiviert werden, dass sich eine Person eine Idee, einen Gedanken patentieren lassen kann, rechtlich als Eigentum sichern kann. So sehr das f�r den Einzelnen oder eine Firma w�nschenswert sein mag, aus wirtschaftlichen Gründen: es ist auch eine Einschr�nkung allgemeiner Freiheiten, der Freiheit aller im Umgang mit Gedanken, Empfindungen, Ideen und Musik.

Bleibt mir nur, mir mehr Freiheit im Umgang damit zu w�nschen.

Noch ein Gedanke zum Nachdenken: Hören Sie Musik wirklich gerne, innig, wenn Sie nichts daf�r geben m�ssen?

 

Klaus G�lker im August 2003


(Essay als überlegungen aus aktuellem Anlass)

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