Ein Besuch im Zoo



Es ist schon ein paar Jahre her, und soweit ich mich erinnern kann, war es im Frühjahr. Kühl war es noch, und die Bäume hatten noch nicht ihr volles Laub. Die junge Frau, mit der ich damals meine freie Zeit teilte, so gut es ging, und ich, wir beide beschlossen, gemeinsam einen Besuch im Tierpark Hellabrunn zu machen.
  Wir waren schon an den großen Freigehegen gewesen, hatten die Voliere der Vögel durchstreift und uns die Schlangen und Fische im Reptilienhaus betrachtet, als wir, endlich, zu dem neu errichteten Gebäudekomplex kamen, der die Menschenaffen beherbergt. Nachdem wir eingetreten waren, wandten wir uns dem Gehege der Schimpansen zu, vor dem wir eine lachende und johlende Menge antrafen. Etwas abseits davon blieben wir stehen und sahen auf die Szene, die sich uns bot.
  Hinter den Stäben des Käfiggitters tobte ein Schimpanse, auf den die Leute zuriefen und lachten. Der Affe spuckte auf die da draußen und schwang seine Fäuste drohend, in ohnmächtigem Zorn gegen die vor den Gittern. Die anderen Tiere der Gruppe, Weibchen und Junge, hielten sich etwas ab von dem Geschehen. Je mehr der hinter den Gittern wütete, desto lauter lachten und grölten die davor. Was Ursache für den Wutausbruch des Tieres war, konnte ich nicht erkennen. Ich versuchte mir klar zu werden über das, was dort bei den Käfigen geschah und sprach mit meiner Freundin darüber. Nicht für alles fand ich Worte. Klar wurde mir jedoch, dass die dort nur deswegen so lachten, weil der andere hinter Gittern war. Und, dass sie ihn mutwillig, aus einer gemeinen, bodenlosen Dummheit heraus, reizten. Für mich waren die wahren Tiere damals vor den Käfigen.
  Gemeinsam mit meiner Freundin wandte ich mich einem anderen Gehege zu. Hinter dicken Glasscheiben sah mich ein Gorilla an, vornübergebeugt auf seine Fingerknöchel aufgestützt. Im Blick dieses Tieres lag eine völlige, heitere Ruhe. Nach einiger Zeit wandte es sich ab und gesellte sich zu seinen Artgenossen, weiter hinten in der Tiefe des Käfigraumes. Was ich in diesen vier Wänden zu sehen bekam, an Ruhe, an Miteinander, an Innigkeit - mir schien es wirklich menschlich im positiven Sinn.
  Wir setzten unseren Spaziergang fort. So gelangten wir auch zum Polarium. Dort konnten wir dann auch wieder lachen, und ich fotografierte sie in ihrem weißen Teddymantel vor den Eisbären.




Klaus Gölker   ©2000   | Home |