Von Punto Sabbioni nach Venedig



In weitem Bogen kommt die MS "Burano" über die Wasser der Lagune von Venedig herangeschwungen.

Ich stehe auf dem Pontonkai und warte. Bevor ich meine Karte nach San Marco löse, vorne am Schalterhäuschen, besehe ich mir die Muscheln und Schneckenhäuser am Souvenirstand daneben. Ich besehe sie mir genau, denn es sind sehr schöne Schalen, glänzende, geschwungene und gedrehte Formen.
    Dreieihalbtausend Lire kostet die Schiffspassage nach San Marco. Während die Burano festgemacht wird, betrachte ich die Markierungen über der Wasserlinie am Bug. Hat dieses Schiff wirklich einhundertundsechzig Zentimeter Tiefgang? Das ist also flach genug für das Fahren in den seichten Gewässern der Lagune.
    Als einer der wenigen Passagiere von Punto Sabbioni steige ich diesen Morgen zu. Als einziger gehe ich auf das Vorderdeck. Ich setze, lehne mich auf und an die Reeling, vorne im Dreieck der Bugspitze. Möwen und Schwalben fliegen ums Schiff.
    Während das Schiff noch am Kai fest liegt, blicke ich mich um, schaue in die Scheiben der Fahrgastkabine und sehe mein Spiegelbild. Ich spreche zu meinem Bild im Glas.
    Dann legt die "Burano" ab. Rechts unserer Fahrt liegt die Forschungsplattform "Mose". Langsam rollt und stampft das Schiff durch die Dühnung in der großen nördlichen Laguneneinfahrt. Vor uns ein schnelleres, bewaffnetes Boot der Zollwache, seinem Ziel bei San Giorgio Maggiore zu.
    Vorbei an den Anlagen eines Flughafens, rot und weiß kariert, zieht das Schiff. Wieder begleitet uns ein Boot, ein halb geschlossener Kahn der Marineschule mit jungen Soldaten, lebendige Gesichter und Gesten an Bord.
    Zum ersten Anlegemanöver, am Lido, drosselt der Kapitän die Schiffsmotoren. Die "Burano" gleitet, schwebt zum Kai. Kein Stoß, nur ein sanfter Ruck meldet, dass das Schiff angelegt hat.
    Unter einem Traumhimmel mit leichten, weißen, zerfließenden Wolken hoch droben, unter solch einem Himmel legt mein Gefährt wieder ab, der ersten Anlegestelle auf der Stadtseite zu. Wieder sehe ich das Boot mit den Marinesoldaten.
    Die "Marco Polo" kreuzt unseren Kurs, eine Autofähre, Schwesterschiff der "San Marco", mit Kurs auf Tronchetto.
Lang war die Fahrt von Punto Sabbioni zum Lido von Venedig, kurz ist die Überfahrt von dort zum ersten Halt auf der Stadtseite. Für den Neuankommenden unerwartet ist das Grün. Parkanlagen statt Häuserzeilen, wenn man auf dieser Route reist.
    Knapp und präzise steuert der Mann auf der Brücke sein Schiff zur Anlegestelle.
Kaum ist wieder Fahrt aufgenommen, traue ich, der ich aus München komme, meinen Augen kaum, sehe ich doch eine Barkasse, offen, hellgrau gestrichen, darin zwei Männer, Kisten mit Getränken, und außen am Rumpf den Schriftzug einer münchner Weißbierbrauerei. Ich lächle und lasse das Fotografieren.
Nicht mehr weit ist es bis zum Kai bei San Marco. Vorbei geht die Fahrt an Parks, Brücken und den Giebeln von Häusern.
    Zwei flaggengeschmückte Marineschiffe, groß, grau, liegen am befestigten Ufer und werben mit Transparenten für einen ozeanologischen Kongress. Schon ist der Campanile von San Marco zu sehen, die Anlegestelle nah. Der Kapitän steuert die "Burano" rauh, knapp und ruppig an die Poller, mit grollend laufenden Motoren. Ich gehe an Land.




Klaus Gölker   ©2000   | Home |